Wie man’s macht, macht man’s verkehrt!
Ich muss jetzt mal wieder einen kleineren längeren Blogbeitrag verfassen, weil mich seit 2020 eine Sache massiv stört, für die ich keine Lösung weiß und die ich alleine nicht mehr in der Lage bin, zufriedenstellend aufzulösen.
Es geht um die Problematik MS365 an Schulen. Ich will die Problematik hier nicht erneut in aller Ausführlichkeit thematisieren. Das ist über die Datenschutzkonferenz und in der Presse ausführlich dargelegt worden. Wer nicht so im Thema ist, kann sich hier, hier oder hier informieren.
Stand heute ist MS365 an Schulen nach überwiegender Meinung nicht DSGVO-konform einsetzbar, trotzdem nutzen es Schulen weiterhin. Das betrifft sowohl die Schule, die meine Kinder besuchen, als auch viele Schulen in der Stadt, in der die Schule ist, an der ich unterrichte. Ich möchte meine Probleme aus zwei Perspektiven beleuchten, einmal aus Elternsicht und einmal aus Sicht einer Schule, deren Schulträger allen Schulen das Angebot macht, MS365 zu nutzen.
Aus Elternsicht
Ich war bis 2020 sehr zufrieden mit der digitalen Ausrichtung der Schule meiner Kinder. Ein sehr engagierter Kollege hat dort auf Basis von freier Software viel auf die Beine gestellt. Während der Pandemie wurde mit Moodle und BigBlueButton eine Lösung verfolgt, die zu Beginn wie fast überall an Kapazitätsgrenzen stieß. Vor allem Probleme mit Videokonferenzen, die verschiedene Gründe hatten, führten bei Teilen der Schulgemeinschaft zu Beschwerden. Auch die Forderung einer 8-13:15 Uhr-Beschulung per VK trug zur Überlastung des Systems bei. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass in den Phasen der geschlossenen Schulen Lernen nicht möglich war. Durch einen pensionsbedingten Wechsel in der Schulleitung und wohl auch dem Druck aus der Elternschaft wurde dann zum Schuljahr 2022/23 MS365 offiziell eingeführt. Dabei wurde um das Einverständnis gebeten, mit dem Hinweis, dass es ja freiwillig ist, aber schon von allen genutzt werden sollte. Wer dies nicht möchte, würde mit Alternativen versorgt. Ich hatte jetzt als Elternteil im Prinzip drei Möglichkeiten:
- Ich gebe mein Einverständnis und stimme damit einer Lösung zu, die nicht DSGVO-konform ist.
- Ich gebe mein Einverständnis nicht und lasse mich auf die Alternativen ein.
- Ich gebe mein Einverständnis nicht und wende mich sogar an die Aufsichtsbehörden, um die Nutzung rechtlich prüfen zu lassen.
Möglichkeit 2 und 3 haben massive Konsequenzen für meine Kinder und mich, auch wenn das immer verneint wird. Natürlich haben wir zu Hause mit den Kindern darüber gesprochen und beide Kinder wollten, dass wir zustimmen, da sie Nachteile befürchteten und die Problematik als nicht so schwerwiegend empfunden wurde. Die Nachteile gehen von schlechterer Hardware (älterer Laptop mit pseudonymisiertem Account sollte zur Verfügung gestellt werden) bis zu einer Stigmatisierung innerhalb der Schulgemeinschaft (“Derentwegen müssen wir jetzt in der Klasse eine andere Lösung nutzen als der überwiegende Rest der Schule.”). Möglichkeit 3 schafft für die Schule massive (zwar selbstgemachte) Probleme, trotzdem kann ich aus Lehrersicht verstehen, dass man zu der vorhandenen Arbeit nicht unnötig weitere Baustellen eröffnen will. Da ich den zuständigen Kollegen persönlich kenne und wir uns mehrfach über die Problematik unterhalten haben, war mir relativ schnell klar, dass ich diesen Weg nicht gehen will.
Wir haben uns letztendlich mit einem unguten Gefühl für Möglichkeit 1 entschieden. Dass man selbst bei vorhandenen technischen Vorkehrungen keine datenschutzfreundliche Nutzung erwarten darf, zeigen mir mehrere Vorfälle aus dem letzten Schuljahr. So sollten mehrfach Dokumente digital unterschrieben und über Teams hochgeladen werden. Ich habe daraufhin die betreffenden Kollegen mit einem Hinweis kontaktiert und der Bitte sowas in Zukunft zu unterlassen.
Ich habe als Elternteil eigentlich keine Möglichkeit eine für mich zufriedenstellende Lösung zu finden, wenn ich daran interessiert bin, dass die Daten meiner Kinder und meine Daten ausreichend geschützt sind.
Aus Lehrersicht
Ich bin selbst an einer anderen Schule als Lehrer tätig. Durch die Coronapandemie und z.T. wenig vorhandene Ressourcen an den Schulen wurde Ende 2020 vom Schulträger allen Schulen die Möglichkeit angeboten, MS365 kostenfrei zu nutzen. Da wir zu dieser Zeit bereits mit Nextcloud, Moodle sowie einem extern gehosteten BigBlueButton gut aufgestellt waren, kam das für uns allerdings nicht infrage. Ich verstehe aber die Schulen (vor allem Grundschulen), die in der Regel wenig Kapazitäten in diesem Bereich besitzen, dass dieses Angebot angenommen wurde.
Ich habe jetzt als Schule im Endeffekt wieder drei Möglichkeiten:
- Ich nutze das Angebot des Schulträgers überhaupt nicht.
- Ich nutze das Angebot mit dem Wissen, dass ich ggf. irgendwann auf eine andere Plattform umstellen muss.
- Ich biete unseren Schülerinnen und Schülern den Zugang zu einer kostenlosen MS365-Lizenz, nutze es aber nicht in der Schule.
Alle drei Möglichkeiten sind wieder mit Nachteilen versehen. Bei Möglichkeit 1 ist muss ich mir Fragen von Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern gefallen lassen, warum alle anderen Schulen diese kostenfrei Lizenz anbieten und wir nicht. Möglichkeit 2 kommt definitiv nicht in Betracht, da die ganze Arbeit in Fortbildungen und Materialerstellung größtenteils dahin wäre und ich mich dann zu Recht fragen lassen müsste, ob das nachhaltiges Arbeiten wäre. Wir haben uns letztendlich für Möglichkeit 3 entschieden, mit dem entscheidenden Nachteil, dass hier zusätzlicher Arbeitsaufwand bei uns entsteht für eine Plattform, die wir selbst gar nicht nutzen. Dazu kommt, dass bei klammen Kassen des Schulträgers unsere extern gehosteten Lösungen von unserem recht kleinen Schulbudget selbst tragen müssen, die Schüleraccounts gibt Microsoft gratis dazu. Verständlich, dass der Schulträger hier keine weitere Lösung finanzieren will, wenn man eine recht kostengünstige Lösung bereits hat.
Was wäre ein Ausweg?
Sowohl aus Elternsicht, als auch aus Schulsicht habe ich keine Lösung für mich gefunden, die mich nicht stört. Was wäre ein Ausweg?
Wir brauchen klare Aussagen “von oben” und eine Durchsetzung bestehender Gesetze. Es nützt mir als Eltern und als Schule nichts, wenn von einem Produkt zwar abgeraten wird, aber es trotzdem geduldet wird und man selbst erst aktiv werden muss, um eine Prüfung zu erzwingen. Damit liegt der schwarze Peter bei Einzelpersonen, die sich zweimal überlegen, ob sie das denn auch wirklich machen wollen.
Ein Blick nach Frankreich zeigt, dass das durchaus geht, wenn man will. Man würde damit vielleicht sogar erreichen, dass sich die US-Anbieter richtig bewegen, um eine DSGVO-konforme Lösung hinzubekommen, wenn das technisch überhaupt möglich ist.
Also liebe Politik, bitte gebt Verantwortung nicht an Einzelpersonen ab, sondern werdet selbst aktiv und handelt endlich. Finanziert das Bildungssystem so ordentlich, dass man als Schule die Wahl hat, sich für verschiedene, auch kostenpflichtige Angebote zu entscheiden und Anbieter mit ihrer Gratis-Mentalität nicht bereits den Fuß in der Tür haben.
Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Welche Möglichkeiten habt ihr gewählt? Oder habe ich noch eine Option vergessen? Ich würde mich über Rückmeldungen freuen!
Ein Gedanke zu „Wie man’s macht, macht man’s verkehrt!“
diese geschichte hätte 1:1 aus meiner ‘feder’ stammen können. leider hat der direktoren wechsel in unserem fall dazu geführt, dass datenschutzbedenken keine rolle mehr spielen und ein perfekt funktionierendes linux system in den klassen nach knapp 10 jahren nun wieder mit windows ersetzt wird. die schuleigene nexcloud wir demnächst abgedreht und vermutlich bald auch die moodle instant durch teams “ersetzt”
einige lehrer freuen sich denn nun ist endlich dieses “komische system” weg gegen das sich einige von anfang an wehrten…